Die Entwicklungsgeschichte der Ente



Obwohl es heißt, "Was von Anfang an gut ist, braucht nicht ständig verbessert werden", hat auch die Ente eine Entwicklung durchlaufen. Sind doch auch die Anforderungen an dieses Minimalfahrzeug seit der ersten Idee 1934 bis zur Produktionseinstellung 1990 ziemlich gestiegen. Ein kurzer und sicherlich unvollständiger Überblick über die lange Geschichte der Ente ist hier zusammengestellt.

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1934 Nach Abschluß der Entwicklungsarbeiten am Traction Avant denkt der Citroën-Geschäftsführer Pierre Jules Boulanger über die Entwicklung eines revolutionären Kleinwagens nach. Als Zielgruppe hat er die französischen Landbauern im Sinn, die bis dato auf den Ochsen- oder Eselskarren als Hauptverkehrsmittel setzen.
1935 Der Leiter der Entwicklung, Monsieur Brogly, erhält von Boulanger den Entwicklungsauftrag mit folgenden Eckdaten erteilt:
- Platz für zwei Bauern in Stiefeln,
- Ladekapazität für 50kg Kartoffeln oder ein kleines Faß,
- Geschwindigkeit 60 km/h,
- Maximalverbrauch 3 Liter pro Stunde,
- Preis deutlich unter dem des Traction Avant,
- Einfachste Bedienung,
- Strapazierfähige, komfortable Federung.
Für weitere Eckdaten der Konstruktion wird eine Umfrage gestartet und über 10.000 Antworten ausgewertet.
1936 Beginn der Arbeiten am 2CV-Vorgänger T.P.V. (toute petite voiture, "kleinstes Auto"). Die Ingenieure lassen sich dabei nur von ihrer Inspiration leiten, auch ungewöhnlichste Ansätze werden weiterverfolgt.
1937 Anfang des Jahres verläßt der erste Prototyp das Werk, ein Fahrzeug mit Aluminium-Wellblechaufbau und Torsionsstabfederung mit 500ccm BMW Motorradmotor (auf dieser Tatsache baut das Gerücht auf, der spätere Motor des 2CV wäre vom BMW-Boxer "abgekupfert"), der jedoch nur 1000 km hält. Bei den Testfahrten werden auch die legendären Kriterien wie "Einsteigen mit Hut" und "Eierkorb ohne jeglichen Schaden über ein Feld chauffieren" erfüllt.
1938 Die Entwicklungsmannschaft bezieht ein 800 Hecktar großes Testgelände westlich von Paris bei La Ferte-Vidame. Insgesamt 20 Prototypen werden erprobt, und obwohl die Konstruktion noch nicht ausgereift ist, wird für 1939 die Serienproduktion beschlossen.
1939 Am 2. September verläßt der erste Serien-T.P.V. das Werk. Gleichzeitig erreicht die Nachricht des Kriegsbeginns Frankreich. Die französische Regierung befiehlt die General-Mobilmachung, die Serienproduktion wird sofort gestoppt.
1940 Die Arbeiten am T.P.V. werden während des Krieges offiziell eingestellt, die Prototypen werden verschrottet (ca. 5 überleben dennoch). Im Geheimen wird das Fahrzeug weiterentwickelt und gründlich überarbeitet.
1943 Innerhalb nur einer einzigen Woche wird ein vollständig neuer, luftgekühlter Motor konstruiert, der das anfällige, wassergekühlte T.P.V.-Aggregat ersetzen soll. Auch ein Viergang-Getriebe wird entwickelt, wegen der Aversion des Chefs gegen zu viele Gänge "3+S" genannt.
1944 Paris ist von den Deutschen befreit, und die Entwicklungen können wieder offiziell aufgenommen werden. Die Weiterentwicklung des T.P.V. hat dazu geführt, daß das angestrebte Gewichtsmaximum überschritten wird. Nach intensiver Detailentwicklung wird das Idealgewicht um nur 6 kg überschritten.
1948 Der T.P.V. wird noch im September bei einer Pressekonferenz präsentiert, ab dem 6. Oktober auch offiziell auf dem Pariser Automobilsalon. Die Enthüllung des (nun so genannten) 2CV wird durch Staatspräsident Vincents Auriol vorgenommen - die "Ente" ist geboren.
Die Eckdaten des ersten 2CV: Citroën 2 CV A, Luftgekühlter Boxermotor mit 375 ccm (Bohrung und Hub je 62 mm), 9 PS bei 3500/min, Drehmoment 19,5 Nm bei 2000/min, Verdichtung 6,2 : 1.
1949 Erst ein Jahr nach der Präsentation beginnt die Auslieferung und der Verkauf des 185.000,- Francs (umgerechnet ca. 4200,- DM) teuren Fahrzeugs. Die Lieferzeiten sind enorm lang, die Zuteilung der ersten 2CV erfolgt erst nach eingehender Prüfung des Bedarfs: Landwirte, kinderreiche Familien und Handelsvertreter bevorzugt!
1951 Die Lieferpalette wird um die "Fourgonette" (2 CV AU) erweitert, einer Ente mit festem Blechdach und Wellblech-Kastenaufbau ab der B-Säule.
1954 Hubraum und Leistung werden erhöht (425 ccm, 12 PS), und auf Wunsch wird die Ente (die nunmehr 2 CV AZ bzw. AZU heißt) mit Fliekraftkupplung geliefert. Diese trennt automatisch unter 1000/min, und kuppelt bei höheren drehzahlen weich ein. Mit eingelegtem 2. Gang läßt sich die Ente in der Stadt wie ein Automatik-Fahrzeug fahren: Nur Gas geben und Bremsen.
1955 Detailverbesserungen an der Ente, unter anderem wird das Rolldach, das bislang aus imprägniertem Zeltstoff besteht, Kunststoffbeschichtet.
1957 Zusätzlich zur AZ und AZU wird die Luxusversion AZPL verkauft, mit 3. Seitenfenster und Kofferraumklappe aus Blech, anderer Bereifung, Radkappen und verbesserter Innenausstattung.
1958 Der 2CV Sahara wird vorgestellt, eine Allradversion mit je einem Motor und Getriebe pro Achse. Der Antrieb für die Hinterachse versteckt sich im Kofferraum, die Tanks liegen unter den Vordersitzen. Jeder Motor hat sein eigenes Zündschloß, aber geschaltet werden beide Antriebe mit nur einem Gangknüppel.
Beginn des Verkaufs des 2CV in Deutschland. Mit dem ursprünglich festgesetzten Verkaufspreis von 4750,- DM entwickelte sich die Ente jedoch zum Ladenhüter, so daß der Preis auf 3650,- DM (Standard) bzw. 3950,- DM (Luxe) gesenkt wurde. Aufgrund der unfreundlichen Urteile in der Fachpresse läuft der Verkauf auch nach dieser Maßnahme nur schleppend an.
1959 Die veraltete Reifendimension 125 x 400 bzw. 135 x 400 wird durch die Größe 135 x 380 ersetzt. Das Heizsystem wird verbessert, und am Fahrzeugheck warnt eine zweite Bremsleuchte den nachfolgenden Verkehr.
1960 Die alte Wellblech-Motorhaube wird durch ein neues (bis zuletzt verwendetes) Design abgelöst, zudem werden runde Blinker in den vorderen Korflügen eingebaut.
1961 Bei gleichem Hubraum steigt die Leistung auf 13,5 PS. Die Federung und bei der Luxusausführung die Innenausstattung werden weiter verbessert.
1962 Das Armaturenbrett wird vollkommen überarbeitet. Dabei wird der Scheibenwischer nicht mehr wie bisher von der Tachowelle angetrieben, sondern bekommt einen Elektromotor spendiert. Das Modell "Mixte" wird vorgestellt, durch die Vergrößerung der Kofferraumklappe bis Oberkante Heckfenster ein waschechter Fünftürer.
1963 Brachiale 16 PS treiben die Ente auf maximale 95 km/h. Die sind auch in der größeren Kastenente, der AK400, dringend benötigt.
1964 Die Zeit der Selbstmördertüren ist auch bei der Ente vorbei, die Vordertüren sind nunmehr vorne angeschlagen. Ein weiteres Plus für die Sicherheit sind die neuen Befestigungen für die Sicherheitsgurte, auf welche man aber noch weiter warten muß.
1965 Auch die "Sahara" kommt in den Genuß der 16PS-Motoren. Das wurde auch Zeit, bei der letzten Leistungssteigerung wurde das Allradmodell übergangen.
1966 Nächste Stufe des Geschwindigkeitsrauschs: 21 PS aus 597 ccm stehen zur Verfügung. Nach der französischen Steuerformel ist die neue Bezeichnung "3CV" korrekt, wird aber von der Kundschaft nicht angenommen und verschwindet wieder in der Versenkung.
1967 Die Dyane wird vorgestellt, kann sich aber auf Dauer nicht gegen die Ente durchsetzen. Die Produktion der "Sahara" wird eingestellt, die letzten Bestellungen für dieses Allradkonzept werden mit entsprechend umgebauten AK400 beglichen.
1968 Die Dyane wird nun auch in Deutschland angeboten. In Frankreich neu auf dem Markt ist der Mehari, ein "Jagd- und Strandwagen" auf Dyane-Basis.
1969 Die Luxus-Version der Ente wird nicht mehr produziert.
1970 Ein neues Zeitalter bricht an: Die Enten (die jetzt 2 CV 4 bzw. 2 CV 6 heißen) bekommen 12V Bordspannung. Und es sind auch endlich Sicherheitsgurte vorne vorhanden.
1972 Ab diesem Jahr gehören Dreipunktgurte zur Serienausstattung.
1974 Die Scheinwerfer sind nicht mehr rund, sondern rechteckig. Weil die neuen Lampen auch breiter sind, muß auch der Lampenträger verbreitert werden.
1975 Back to the roots: Eine Sparversion "2 CV Special" kommt ins Programm, bei der das 3. Seitenfenster entfällt. Und wegen neuer Abgasvorschriften muß die Ente etwas Federn lassen: Die Leistung der 2 CV 6 wird von 28,5 auf 26 PS gedrosselt.
1976 Neben der Dyane ist der dieses Jahr auf dem Pariser Automobilsalon vorgestellte LN (mit der Karosserie des Peugeot 104) das zweite Modell mit Ententechnik unter der Haube.
1977 Die Dyane bekommt Scheibenbremsen an die Vorderachse, und 2 CV 4 und 2 CV 6 haben nun Automatik-Dreipunktgurte.
1978 Wendepunkt: Die Kastenenten werden von der Acadiane abgelöst.
1980 Die Acadiane gibt es ab sofort auch in Deutschland. Und Citroën präsentiert ein Sondermodell, das sehr lange im Programm bleiben wird: Die Charleston. Sie bringt auch ein Revival der runden Scheinwerfer.
1981 Die Ente hat die Dyane überlebt! Zuerst wird die Auslieferung der Dyane in Deutschland eingestellt, kurze Zeit später ist auch in Frankreich Schluß. Die Scheibenbremse wird in die Ente übernommen.
1985 Die runden Scheinwerfer kommen nun wieder bei allen Enten zum Einsatz. Nach wie vor Chromgehäuse bei den Charleston-Modellen, bei den anderen in Wagenfarbe lackierter oder durchgefärbter Kunststoff.
1986 Wieder sorgen Abgasgesetze dafür, daß die Ente Federn lassen muß. Der 29 PS (21 kW) starke Motor A06/635 wird abgelöst durch den A06/664, der durch reduzierte Verdichtung und geänderter Vergaserbedüsung auf 27 PS (20 kW) kommt. Die Höchstgeschwindigkeit geht etwas in die Knie, der Verbrauch steigt leicht. Dafür reicht nun Normalbenzin statt Super.
1988 Die Ente muß ins Exil: Die Produktion wird in Paris gestoppt und nur noch im portugiesischen Mangualde aufrecht erhalten.
1990 Le roi est mort, die Ente ist tot. Nach weit über 7 Millionen Exemplaren und zwei überdauerten "Nachfolgern" (Dyane und Visa) endet am 27. Juli die Produktion, bereits im März war Auslieferungsende in Deutschland. Der letzte Listenpreis des evergreens betrug 10.990,- DM. Alle Bemühungen von Fans, die Produktion in einem anderen Land weiterlaufen zu lassen (wie es VW mit dem Käfer macht), werden von der Geschäftsführung bei Citroën vollkommen ignoriert, die Preßwerkzeuge verschrottet. Stattdessen wird der AX als das Auto für Entwicklungsländer definiert. Ungeachtet der Qualitäten und der Verdienste, die die Ente als Weltenbummler hatte.


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